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Bundesgerichtshof entscheidet über Schadensersatzklagen von Lehman-Anlegern

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich in zwei weiteren Verfahren damit beschäftigt, ob eine beratende Bank im Zusammenhang mit der Empfehlung von Zertifikaten der niederländischen Tochtergesellschaft Lehman Brothers Treasury Co. B.V. (Emittentin) der US-amerikanischen Lehman Brothers Holdings Inc. (Garantin) zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet ist.

Im Mittelpunkt der Entscheidungen stand die Frage, ob eine beratende Bank beim Vertrieb von "Garantiezertifikaten" über Sonderkündigungsrechte der Emittentin ungefragt aufzuklären hat. Der Bundesgerichtshof hat eine solche Aufklärungspflicht bejaht.

 
Darauf verweist der Hamburger Rechtsanwalt Matthias W. Kroll, LL.M., Leiter des Fachausschusses „Finanzdienstleistungs- und Versicherungsrecht“ der DASV Deutschen Anwalt- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 25.11.2014 zu seinen Urteilen vom selben Tage, Az.: XI ZR 169/13 und XI ZR 480/13.
Im Verfahren XI ZR 480/13 erwarb der Kläger im November 2007 auf Empfehlung eines Mitarbeiters der beklagten Bank 40 Stück des "Lehman Brothers Garantiezertifikats auf fünf Bankentitel" zum Nennwert von 39.328 €. Im Mai 2008 erwarb er auf Empfehlung desselben Mitarbeiters weitere 100 Stück Lehman-Zertifikate "LB 6 Jahres CatchUp Note auf sechs DAX-Werte" zum Nennwert von 100.000 €.
Im Verfahren XI ZR 169/13 erwarb der Kläger im Mai 2008 auf Empfehlung eines Mitarbeiters derselben beklagten Bank "Lehman Brothers Aktien Kupon Anleihen auf sechs DAX Werte", d. h. sogenannte Basketzertifikate, zum Kurswert von 33.099 €. In dem zugehörigen Produktflyer heißt es u.a. "100% Kapitalschutz am Laufzeitende".
Den Zertifikaten lagen die Anleihebedingungen der Emittentin zum Basisprospekt vom 28. August 2007 zu Grunde. Danach sollte die Emittentin am Laufzeitende unabhängig von der Entwicklung der Basiswerte mindestens 100% des eingezahlten Kapitals an den Anleger zurückzahlen. In den Anleihebedingungen wird der Emittentin ein Sonderkündigungsrecht aus Gründen eines Fusionsereignisses, eines Übernahmeangebots, eines Delistings, einer Verstaatlichung, einer Insolvenz der in den Zertifikaten in Bezug genommenen Unternehmen oder wegen einer durchgeführten oder geplanten Veränderung steuerrechtlicher Vorschriften eingeräumt. In diesen Fällen erhält der Anleger einen Rückzahlungsbetrag, der von einer Berechnungsstelle ausgehend von dem marktgerechten Wert der Zertifikate abzüglich angemessener Aufwendungen und Kosten berechnet wird. Dabei wird in den Anleihebedingungen ausgeführt, dass der vorzeitige Rückzahlungsbetrag möglicherweise unter dem Nennbetrag liegen oder sogar Null betragen könne. Auf das Sonderkündigungsrecht der Emittentin und dessen Rechtsfolgen wurden die Kläger von der Beklagten nicht hingewiesen. Die Anleihebedingungen wurden ihnen ebenfalls nicht übergeben.
Nach der Insolvenz der Emittentin im September 2008 wurden die Zertifikate weitgehend wertlos. Im Verfahren XI ZR 480/13 verlangt der Kläger Rückzahlung des Anlagebetrages abzüglich erhaltener Zahlungen aus dem Insolvenzverfahren in Höhe von 98.709,64 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Zertifikate, Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Zertifikate in Verzug befindet. Die Klage hatte in den Vorinstanzen ganz überwiegend Erfolg.
Der Kläger im Verfahren XI ZR 169/13 begehrt die Rückzahlung des investierten Kapitals in Höhe von 33.099 € sowie die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat das Urteil dahingehend abgeändert, dass die Beklagte lediglich zur Zahlung von 27.472,17 € Zug um Zug gegen Übertragung der Zertifikate und der Ansprüche des Klägers im Insolvenzverfahren der Emittentin verpflichtet ist. Die weitergehende Klage hat es mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger gegen seine Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) verstoßen habe, weil er es unterlassen habe, seine Forderungen im Insolvenzverfahren der Garantin mit der Aussicht auf den Erhalt einer Vergütung von 17% seiner Forderung rechtzeitig anzumelden.
Die Revisionen der beklagten Bank sind in beiden Verfahren erfolglos geblieben. Gleiches gilt für die im Verfahren XI ZR 169/13 erhobene Anschlussrevision des Klägers.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs haben die Berufungsgerichte in beiden Rechtsstreiten zu Recht eine schuldhafte Verletzung der Pflichten aus dem geschlossenen Anlageberatungsvertrag bejaht und damit die beklagte Bank rechtsfehlerfrei zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt (§ 280 Abs. 1 BGB). Die Empfehlung der Zertifikate war in beiden Verfahren nicht anlagegerecht. Bei den Zertifikaten handelte es sich um Inhaberschuldverschreibungen mit einem zugesicherten Kapitalschutz. Bei solchen "Garantie-Zertifikaten" muss eine beratende Bank die Anleger über das in den jeweiligen Anleihebedingungen geregelte Sonderkündigungsrecht der Emittentin, das zu einem Totalverlust des Kapitals führen kann, ungefragt aufklären. Denn ein Sonderkündigungsrecht stellt einen für die Anlageentscheidung wesentlichen und damit aufklärungsbedürftigen Umstand dar. Wesentliches Merkmal eines Garantiezertifikats mit 100%igem Kapitalschutz ist, dass sich das Risiko des Anlegers darauf beschränkt, mit dem Anlagebetrag während der Anlagezeit möglicherweise keine Gewinne zu erwirtschaften oder dass die Emittentin insolvent wird. Dem steht ein Sonderkündigungsrecht diametral entgegen, bei dem der von der Berechnungsstelle nach billigem Ermessen festzulegende Marktwert den Anlagebetrag unterschreiten oder sogar Null betragen kann.
Im Verfahren XI ZR 169/13 hat das Berufungsgericht den geltend gemachten Schadensersatz des Klägers nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch rechtsfehlerfrei um 17% gekürzt. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die Schadensminderungspflicht nicht überspannt, denn nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB trifft einen Anleger die Obliegenheit, den Schaden durch Maßnahmen, die nach Lage der Sache erforderlich scheinen und zumutbar sind, möglichst gering zu halten. Verstößt er - wie hier - gegen diese Obliegenheit, weil er seine Ansprüche im Insolvenzverfahren gegen die Garantin nicht anmeldet, muss er eine Kürzung seines Schadensersatzanspruches in Höhe des Betrages in Kauf nehmen, den er im Insolvenzverfahren hätte erlangen können (§ 287 Abs. 1 ZPO)
Kroll riet, dies zu beachten und in allen Zweifelsfragen Rechtsrat einzuholen, wobei er  dazu u. a. auch auf die entsprechend spezialisierten Anwälte und Anwältinnen in der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies.
 
Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
 
Matthias W. Kroll, LL.M.
Rechtsanwalt/Master of Insurance Law
Fachanwalt für Arbeitsrecht/Fachanwalt für Versicherungsrecht
Leiter des Fachausschusses XIV „Finanzdienstleistungs- und Versicherungsrecht“
der DASV Deutschen Anwalt- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.
 
c/o. Dr. Nietsch & Kroll Rechtsanwälte
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